Die Kernpunkte Ihrer Rede versteht das Publikum mitunter erst, wenn Sie diese mit einem Bild oder einer Grafik veranschaulichen. Das ist jedoch kein Grund, das Vertrauen in die Kraft der eigenen Worte zu verlieren.
Wir schreiben das Jahr 1854. Das Britische Empire liegt im Krieg mit Russland. Als die Truppen auf der Krim aneinanderrasseln, füllen sich die Lazarette. Im Akkord werden Arme und Beine abgesägt. Soldaten krepieren elendig.
Um kritischen Fragen vorzubeugen: Ja, der Krimkrieg des 19. Jahrhunderts ist relevant für Ihre nächste Rede oder Präsentation. Denn in dieser Zeit spielt die Geschichte einer englischen Krankenschwester, die später unter anderem wegen ihrer Überzeugungskraft weltberühmt werden sollte.
Nacht für Nacht schreitet diese Krankenschwester durch die muffigen Säle eines überfüllten Militärkrankenhauses. Sie hört das Stöhnen der Verwundeten, riecht den Gestank entzündeter Wunden und sieht Ratten, die im Schein ihrer Laterne unter die Krankenhausbetten huschen.
Bei ihren nächtlichen Rundgängen führt sie Buch über die Zahl der Gestorbenen und die Todesursachen. Dabei macht unsere Krankenschwester, Florence Nightingale ist ihr Name, eine erschütternde Entdeckung. Nicht die Kämpfe an der Front sind für die meisten Todesopfer verantwortlich, sondern die katastrophalen hygienischen Zustände in den Lazaretten.
Fassungslos meldet sie ihre Beobachtung dem zuständigen General. Doch der winkt ab. Von einer Krankenschwester will sich der Kommandeur der britischen Supermacht bestimmt nicht erklären lassen, wie er seine Soldaten zu behandeln habe. Das Sterben geht erst einmal weiter.
Aber Nightingale, die später als Mitbegründerin der statistischen Wissenschaft gelten wird, gibt nicht auf. Zu ihrem nächsten Treffen mit dem General bringt sie ein sogenanntes Rosendiagramm mit. Auf einen großen Bogen Papier zeichnet sie eine Grafik, die einem Kuchendiagramm sehr ähnlich sieht.
Diese einfache Darstellung verdeutlicht ihre Zahlen so anschaulich, dass sich der General der Realität nicht länger entziehen kann. Die Zustände in den Lazaretten ändern sich daraufhin grundlegend.
Ohne Übertreibung kann man also behaupten – und jetzt sind wir wieder bei Ihrer Präsentation –, dass das Rosendiagramm Tausenden Menschen das Leben gerettet hat. Farbige, aneinandergelegte Kuchenstücke konnten überzeugen, als Worte einfach übergangen wurden.
Kein Wunder, dass grafische Darstellungen in den folgenden Jahrzehnten immer beliebter wurden. Das Säulendiagramm wurde erfunden, das Kurvendiagramm, das Mengendiagramm und zahllose andere. Auch die Präsentationstechniken wurden besser – von der Kreidetafel über das Flipchart und den Overheadprojektor bis zum vorläufigen Höhepunkt der Entwicklung: der Präsentationssoftware Powerpoint.
Heute können wir grafische Tools einsetzen, wann immer wir unseren Worten zu mehr Überzeugungskraft verhelfen wollen. Man sollte meinen, wir lebten in einem goldenen Zeitalter der Kommunikation.
Doch wer jemals in einem Businessmeeting das Bewusstsein verloren hat, als der Kollege am Beamer auf Slide 34 seiner Powerpoint-Präse bei Bulletpoint 13 den Unterpunkt c erläuterte, weiß: Irgendwo auf dem Weg zur perfekten Verständigung müssen wir falsch abgebogen sein.
Während Florence Nightingale mithilfe von grafischen Darstellungen die Qualen von Menschen linderte, sind es heute oft die Powerpoint-Folien selbst, die den Zuhörern* Schmerzen zufügen.
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Das Problem besteht vor allem darin, dass bildliche Darstellungen nicht benutzt werden, um Worte verständlicher zu machen. Vielmehr sind die Worte oft nur noch dazu da, um Bildchen und Grafiken zu erläutern.
Redner hangeln sich an ihren Slides entlang wie Tarzan an seinen Lianen. Irgendwann entschwinden sie so tief im Dickicht der Zahlen und Fakten, dass ihre Zuhörer ihnen nicht mehr folgen können.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich gibt es Gelegenheiten, wo Bilder und Grafiken unbedingt notwendig sind, um Ihrer Botschaft mehr Durchschlagskraft zu verleihen. Die Geschichte von Florence Nightingale ist nur ein Beispiel.
Doch einige Redner haben das Vertrauen in die eigenen Worte vollends verloren. Sie bebildern alles, was irgendwie bebildert werden kann. Ist von einer guten Idee die Rede, erscheint auf der Leinwand das Bild einer erleuchteten Glühbirne. Erwähnt der Redner die Stadt Paris, wird ein Foto vom Eiffelturm an die Wand geworfen.
Diese und ähnliche Bilder sind nicht nur überflüssig. Für das Gelingen der Kommunikation zwischen Redner und Publikum sind sie sogar schädlich. Denn immer, wenn uns jemand ein Bild von etwas vor die Nase hält, wird eine der wichtigsten menschlichen Fähigkeiten nahezu vollständig abgeschaltet: unsere Vorstellungskraft.
Wer seinen Zuhörern ständig irgendwelche Fotos zeigt, nimmt ihnen die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen. Damit kann man selbst die beste Rede der Welt kaputtmachen. Nehmen wir als Beispiel einfach die Rede „I have a dream“ von Martin Luther King.
Ich gebe zu, jetzt wird es ein wenig abgefahren, aber bleiben Sie bitte noch einen Moment dabei und stellen sich vor, King hätte ein ebenso schlappes rhetorisches Selbstbewusstsein gehabt wie diejenigen, die uns heute regelmäßig mit Powerpoint-Orgien auf die Nerven gehen. Wie wäre es gewesen, wenn King auf die Hilfe einer Präsentationssoftware zurückgegriffen hätte?
Versetzen wir uns einfach in die Situation seiner Rede. Hunderttausende stehen dicht gedrängt vor dem Lincoln Memorial. Ein Gefühl von Aufbruch und Veränderung liegt in der Luft. Am Rednerpult steht Martin Luther King, neben ihm ist eine riesige Leinwand aufgebaut. Darauf werden während der Rede Bilder und Grafiken projiziert.
Hunderttausende Augenpaare wandern vom Rednerpult zur Leinwand und zurück, während King sich dem Höhepunkt seiner Rede nähert. Mit pathetischer Stimme schmettert er ins Mikro:
„Ich habe einen Traum …“
Auf der Leinwand erscheint ein Foto, das den Bürgerrechtler im heimischen Garten im Liegestuhl zeigt, während er ein Nickerchen hält. Über seinem Kopf wurde eine Denkblase eingefügt. Darin geschrieben steht das Wort „Traum“. King spricht weiter:
„Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Söhne von früheren Sklaven und die Söhne von früheren Sklavenbesitzern …“
Das Bild wechselt. Gezeigt wird nun ein Säulendiagramm, das den prozentualen Anteil beider Gruppen an der amerikanischen Bevölkerung darstellt. Zahlreiche Zuhörer machen sich Notizen. Andere schießen Fotos von dem Diagramm. Währenddessen fährt King fort:
„… auf den roten Hügeln von Georgia sich am Tisch der Bruderschaft gemeinsam niedersetzen können.“
Auf der Leinwand erscheint nun ein Stock-Foto mit männlichen und weiblichen Models verschiedener Hautfarben, die um einen Tisch sitzen und ihre gebleichten Zähne in die Kamera halten.
„Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder …“ – Foto von King mit Familie – „… eines Tages in einer Nation leben werden, in der sie nicht nach der Farbe ihrer Haut, sondern nach dem Wesen ihres Charakters beurteilt werden.
Gezeigt wird nun ein Slide mit der Überschrift „Beurteilungskriterien“. Darunter stehen die Wörter „Hautfarbe“ und „Charakter“. Erstes ist rot durchgestrichen.
Man muss dieses zugegebenermaßen absurde Szenario nicht weiterspinnen, um zu erkennen, dass Bilder und Grafiken auch die brillanteste Rede ihrer Wirkung berauben können. Das natürliche Bedürfnis der Zuhörer, sich eine eigene Vorstellung von der Vision des Redners zu machen, wird durch optische Reize nicht stimuliert, sondern erstickt.
Es gibt Gelegenheiten, bei denen Bilder und Grafiken die Wirkung einer Rede oder Präsentation enorm verstärken können. Vor allem wenn es darum geht, Zahlen oder Fakten zu präsentieren, können Diagramme eine Überzeugungskraft entfalten, die die Möglichkeiten des gesprochenen Wortes übersteigt.
Bei diesen Gelegenheiten sollten Sie auf die Unterstützung von grafischen Hilfsmitteln nicht verzichten. Das gilt insbesondere dann, wenn es wie bei Florence Nightingale um Fragen von Leben und Tod geht. Doch in allen anderen Fällen können Sie sich getrost auf die Kraft Ihrer eigenen Worte verlassen.
Benötigen Sie Hilfe bei der Vorbereitung Ihrer nächsten Rede? Möchten Sie das Handwerk des Redenschreibens selbst lernen? Schreiben Sie mir eine E-Mail (info@mueller-krey.de) oder rufen Sie mich an (030 95616441). Als erfahrener Redenschreiber habe ich die passende Lösung für Sie.
* Anmerkung: In meinem Blog stehen Personenbezeichnungen der Einfachheit wegen im generischen Maskulinum, das beide Geschlechter einbezieht.
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