Begleitet von großem Beifall hat die Bundeskanzlerin in diesem Jahr die Abschlussrede an der renommierten amerikanischen Universität Harvard gehalten. Ihr Auftritt beweist: Man muss keine überragende Rednerin sein, um eine überragende Rede zu halten. Von Merkel können sich Professoren und Schulleiter für ihre Abschlussreden vor allem zwei Punkte abgucken.
Es war für Merkel nicht leicht, die Absolventen von Amerikas Kaderschmiede Nummer eins mit ihrer Rede von den Stühlen zu reißen. Bei Abschlussfeiern ist das Publikum in Harvard an absolute Top-Speaker wie Bill Gates, Oprah Winfrey oder Steven Spielberg gewöhnt. Auch Winston Churchill oder John F. Kennedy haben hier schon Abschlussreden gehalten.
Merkel hat in ihrer Abschlussrede zwei wichtige Grundregeln beherzigt
Als eher spröde Rednerin aus der Uckermark hat man es da nicht leicht, zumal Merkel auf Deutsch sprach und die Zuhörer ihre Sätze erst verstehen konnten, nachdem sie von einer Dolmetscherin konsekutiv übersetzt worden waren.
Trotzdem gelang der Bundeskanzlerin in Harvard ein bemerkenswerter Auftritt. Knapp 30 Mal spendete das Auditorium während ihrer halbstündigen Rede Beifall. Es gab Passagen, bei denen die Zuhörer nach jedem Satz applaudierten.
Wie hat Merkel das nur gemacht?
Vor allem hat sie zwei Grundregeln genau beachtet: Erstens verlor Sie bei ihrer Rede ihre eigene Verbindung zum Redethema nie aus den Augen. Zweitens erinnerte die Kanzlerin ihre Zuhörer regelmäßig daran, warum sie dieses Thema gerade für die Absolventen von Harvard für wichtig hielt.
Das klingt denkbar simpel. Ist es auch. Doch es sind genau diese beiden Punkte, bei denen Schulleiter oder Professoren in ihren Abschlussreden regelmäßig scheitern.
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Merkel warb in ihrer Rede dafür, über die Grenzen der bestehenden Verhältnisse hinauszudenken. Sie wollte ihr Publikum dazu motivieren, mehr für möglich zu halten.
Dazu hat sie ihren Zuhörern zunächst genau erklärt, was ausgerechnet sie, Angela Merkel, dazu qualifiziert, über dieses Thema zu sprechen. Sie begann ihre Rede darum mit einer Schilderung ihrer eigenen Lebenssituation vor 1989.
„Meine erste Arbeitsstelle nach dem Studium hatte ich als Physikerin in Ost-Berlin an der Akademie der Wissenschaften. Ich wohnte in der Nähe der Berliner Mauer. Auf dem Heimweg von meinem Institut ging ich täglich auf sie zu. Dahinter lag West-Berlin, die Freiheit. Und jeden Tag, wenn ich der Mauer schon sehr nahegekommen war, musste ich im letzten Moment abbiegen – zu meiner Wohnung. Jeden Tag musste ich kurz vor der Freiheit abbiegen. Wie oft habe ich gedacht, das halte ich nicht aus. Es war wirklich frustrierend. Ich war keine Dissidentin. Ich bin nicht gegen die Mauer angerannt, aber ich habe sie auch nicht geleugnet, denn ich wollte mich nicht belügen. Die Berliner Mauer begrenzte meine Möglichkeiten. Sie stand mir buchstäblich im Weg. Aber eines, das schaffte diese Mauer in all den Jahren nicht: mir meine eigenen inneren Grenzen vorzugeben.“
Auch die Redner an deutschen Schulen und Hochschulen wollen ihren Zuhörern in der Regel eine Botschaft mit auf den Weg geben. Viele Abschlussreden geben etwa Tipps für die Berufswahl oder die Karriere. Doch die wenigsten Redner machen sich die Mühe, ihrem Publikum von eigenen Entscheidungsnöten oder Bauchlandungen zu berichten. Genau das ist jedoch notwendig, damit der Redner von seinen Zuhörern als Ratgeber akzeptiert werden kann.
Abschlussreden müssen vor allem die Absolventen ansprechen
Denn Menschen folgen in der Regel nicht Ideen. Sie folgen Menschen, die Ideen haben. Die Bundeskanzlerin nahm sich dies in ihrer Rede zu Herzen schilderte ausführlich, warum sie ihre Botschaft selbst verkörpert. Das macht ihre Rede so überzeugend.
Merkel verknüpfte ihre Botschaft aber nicht nur mit dem eigenen Lebensweg, sondern auch mit dem ihrer Zuhörer. Auch hier können sich viele andere Redner eine Scheibe abschneiden. Denn viel zu oft werden in Abschlussreden bildungspolitische oder philosophische Vorlesungen gehalten, deren Bezug zum Leben der Absolventen nur schwer erkennbar ist. Viel besser machte es Merkel in Harvard:
„Es wird nicht mehr lange dauern, dann sind die Politikerinnen und Politiker meiner Generation nicht mehr Gegenstand des Kurses “Exercising Leadership”, sondern höchstens noch von “Leadership in History”. Lieber Harvard-Jahrgang 2019, Ihre Generation wird in den kommenden Jahrzehnten den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gegenüberstehen. Sie gehören zu denjenigen, die uns in die Zukunft führen werden.“
Einige Kommentatoren haben Merkels Rede als Angriff auf den US-Präsidenten gewertet – und diese Interpretation ist bestimmt nicht falsch. Ihre Aussage, man solle nicht immer nur aus dem Affekt heraus handeln, sondern auch einmal innehalten, kann ganz sicher als Seitenhieb auf Trump gewertet werden. Ebenso ihr Satz:
„Lügen dürfen nicht als Wahrheiten bezeichnet werden und Wahrheiten nicht als Lügen.“
Doch der Versuchung, die geballte Aufmerksamkeit in Harvard zu missbrauchen, um tagespolitische Ansichten zu verbreiten, widerstand die Kanzlerin. Das Ergebnis war eine wirklich beeindruckende Rede, an die sich die Absolventen des Harvard-Jahrgangs 2019 noch lang erinnern werden.
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